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Doch was macht das Gas zum Hoffnungsträger der Energiewende? Bei der Nutzung von Wasserstoff entstehen praktisch keine Abgase sondern reiner Wasserdampf. Das macht Wasserstoff zur umweltfreundlichen Alternative gegenüber Kohle, Öl oder Erdgas.

Im mittelsächsischen Freiberg steht seit 2021 eine Demonstrationsanlage zur Gewinnung von Wasserstoff aus Biogas. Wir haben uns mit Dr.-Ing. Jörg Nitzsche, Geschäftsführer und federführend in der Forschung und Entwicklung am DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH, ausgetauscht, ob Wasserstoff zum entscheidenden Game-Changer in der globalen Energiewende werden kann.

Name des Projekts:HydroGIn „Hydrogen Generator für die Industrie“
Aus Biogas wird Wasserstoff – Entwicklung einer Pilotanlage
Projektpartner: DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH
Gesprächspartner:Dr.-Ing. Jörg Nitzsche, Geschäftsführer der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH

Wasserstoff als Energiequelle ist doch nichts Neues! Warum hat es sich bis heute nicht durchgesetzt?
Dr. Jörg Nitzsche:
Konzepte, Wasserstoff als Energiequelle zu nutzen, gibt es schon seit knapp 50 Jahren. Zunächst muss man wissen, wie Wasserstoff konventionell hergestellt wird. Wasserstoff als Gas kommt auf der Erde kaum vor. Es wird durch die Abspaltung von Sauerstoff aus Wasser gewonnen. Die beiden gängigsten Verfahren dafür sind die Elektrolyse, bei der Wasser mithilfe von Strom (Großteil aus Kohlekraftwerken) in seine molekularen Bestandteile zerlegt wird, und die Dampfreformierung von Erdgas: ein Verfahren, bei dem neben Wasserstoff allerdings auch CO₂ produziert wird. Beide Prozesse sind wenig nachhaltig, weshalb man in diesem Zusammenhang auch von „grauem Wasserstoff“ spricht.

Um nachhaltig zu produzieren – also „grünen Wasserstoff“ herzustellen – kann die bei der Elektrolyse benötigte Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. Es gibt zum Beispiel Solar-Wasserstoff-Anlagen, bei denen Wasserstoff mit Hilfe von Strom aus Solarzellen gewonnen wird. Diese benötigen viel Platz – und sind von äußeren Faktoren stark abhängig. Die Speicherung von Solarenergie ist nach wie vor ein kniffliges Thema. Denn: Keine Sonne, kein Wasserstoff. Das macht die Nutzung derartiger Anlagen für die Industrie schwierig und den Wasserstoff teuer. Fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas sind noch deutlich günstiger.

Und trotzdem sind Sie von Wasserstoff als Zukunftsträger in der Energiewende überzeugt?
Dr. Jörg Nitzsche:
Wasserstoffgas hat einen entscheidenden Vorteil: Energie ist damit in großen Mengen speicherbar – bei Bedarf sogar über Monate hinweg. Man kann es in Druckbehältern, Gasflaschen oder in unterirdischen Kavernen lagern. Nur so kann in den dunklen Wintermonaten wenn tagelang kein Wind weht (sogenannte Dunkelflauten) die Energieversorgung stabilisiert werden. Bei der Verbrennung bzw. Nutzung von Wasserstoff werden keine umwelt- oder klimaschädlichen Stoffe freigesetzt, also auch kein CO₂. Viele industrielle Prozesse in der Industrie nutzen Wasserstoff, zum Beispiel für die Produktion von Plattformchemikalien wie Ammoniak und Methanol, aber auch für spezielle Prozesse in der Metallurgie, der Halbleiterproduktion und der Glasindustrie wird Wasserstoff benötigt. Der Transport von Wasserstoff hin zu den Industrieanlagen ist allerdings aufwändig. Für den Transport wird Wasserstoff komprimiert oder tiefgekühlt und verflüssigt und in Trailern, sprich auf der Straße, transportiert. Das ist energieintensiv und teuer – dafür haben wir Lösungen geschaffen!

Wie schafft Ihre Pilotanlage zur Wasserstoffgewinnung diese Lösungen?
Dr. Jörg Nitzsche:
Gerade haben wir über den großen Platzbedarf gesprochen, der notwendig ist, wenn Solarenergie oder Windkraft zur Elektrolyse genutzt wird. Unsere Anlage ist sehr kompakt und gerade so groß, dass sie in einen handelsüblichen Container passt. Genau das ist der Kern unserer Idee, die wir seit 2015 verfolgen: Wir wollten eine kleine, standardisierte und transportable Anlage entwickeln, die in der Industrie eingesetzt werden kann und trotzdem nachhaltig produziert. Der Vorteil: Wasserstoff muss nicht zwischengelagert oder aufwändig transportiert werden, sondern wird direkt bedarfsorientiert erzeugt. Wir besetzen damit eine Marktnische: denn große Anlagen zur Wasserstofferzeugung sind bereits etabliert.

Sechs Jahre Know-how von drei Partnern sind bisher in das Projekt geflossen: der TU Bergakademie Freiberg, der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH aus Freiberg und der Multi Industrieanlagen GmbH aus Aue, einem Experten zum Bau von Anlagen zur Erzeugung von technischen Gasen. Das DBI hat sich mit der Steuerung der Anlage und der Prozessauslegung befasst. Der Lehrstuhl für Gas- und Wärmetechnische Anlagen unter Leitung von Prof. Krause, lieferte die wissenschaftlichen Grundlagen: energetische Analysen, grundlagenorientierte Untersuchung von Katalysatoren sowie der Auslegung der Druckwechseladsorptions-Anlage. Viele Prozessschritte sind in der Anlage verknüpft – alles wurde vorher durch die Universität berechnet und optimiert.


Wie stellen Sie mit Ihrer Anlage nachhaltig Wasserstoff her?
Dr. Jörg Nitzsche:
Statt Wasser in seine molekularen Bestandteile aufzuspalten, gewinnt unsere Anlage Wasserstoff aus Methan, sprich Erdgas. Seit Januar 2022 arbeiten wir daran, dass wir sogar Biogas ohne vorherige CO₂-Abtrennung in unserer Anlage zu Wasserstoff umwandeln, und sind dadurch noch nachhaltiger! Letztlich brauchen wir drei Dinge: Etwas Strom für die Verdichter und die Steuerung, Biogas als Energieträger und Wasser als weiteres Prozessmedium.

Echtes Biogas – also methanhaltiges Gas das aus Wirtschaftsdüngern wie Schweine- oder Rindergülle, Hühnerkot und nachwachsenden Rohstoffen wie Ganzpflanzensilage und Grünschnitt hergestellt wird – enthält etwa 55 Prozent Methan (CH4) und 40 Prozent Kohlendioxid (CO₂). Die restlichen Bestandteile sind Stickstoff, Wasserdampf, Sauerstoff und Schwefelwasserstoff. In der Anlage wird das Biogas mit Wasserdampf bei hohen Temperaturen zu Wasserstoff umgewandelt. Beim Prozess entstehen keine schädlichen Emissionen. Das als Nebenprodukt freiwerdende Kohlendioxid war vorher in den nachwachsenden Rohstoffen als Kohlenstoff in der festen Biomasse gebunden – insofern ist der Kohlenstoffkreislauf geschlossen. Das ist wirklich nachhaltig!

 Der so erzeugte Wasserstoff aus Biogas hat einen extrem hohen Reinheitsgrad, da er in der Anlage mit Hilfe der sogenannten Druckwechseladsorption aufbereitet wird. Er enthält also kaum Nebenbestandteile und kann in anspruchsvollen Anwendungen wie der Glas- Metall- Halbleiterindustrie aber auch in Brennstoffzellenfahrzeugen eingesetzt werden.

Das klingt großartig. Wie überzeugen Sie Investoren?
Dr. Jörg Nitzsche:
Unsere Erde ist zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt – Wasserstoff kann schier unerschöpflich gewonnen werden. Von Wasserstoff als Energieversorger zukünftiger Generationen muss man derzeit niemanden mehr überzeugen. Der Markt entwickelt sich unaufhaltsam – es ist zum nationalen Ziel geworden, klimaneutral zu werden. Mit unserer Idee haben wir den richtigen Zeitpunkt getroffen.

Unsere Demonstrationsanlage kann hier vor Ort im DBI Freiberg besichtigt und in Aktion erlebt werden. Derzeit produzieren wir 100 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde mit unserer Anlage. Ein Kubikmeter Wasserstoff hat einen Heizwert von etwa 3 kWh – also erzeugt die Anlage Wasserstoff mit einer Maximalleistung von 300 Kilowatt. In der Praxis könnte man damit beispielsweise eine Anlage für das Blankglühen von Metallerzeugnissen betreiben oder täglich 50 Brennstoffzellenfahrzeuge betanken.

Die Anlage verfügt über ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept – durch den TÜV-geprüft. Man kann sagen, dass die Anlage nahezu perfekt in sich selbst optimiert ist. Dennoch entwickeln wir sie stetig weiter – probieren neue Techniken und Konzepte von potenziellen Kunden aus. Eine eigene Pilotanlage vor Ort zu haben, ist Gold wert.

Sechs Jahre Entwicklung ist eine lange Zeit. Welche Stolpersteine galt es dabei zu überwinden?
Dr. Jörg Nitzsche:
Da haben Sie einen wunden Punkt getroffen! Das Projekt war ursprünglich für einen Zeitraum von drei Jahren angesetzt. Corona hat uns stark zurückgeworfen: Lieferketten waren unterbrochen, Mess- und Regeltechnik nicht lieferbar, Mitarbeiter sind ausgefallen – nicht zuletzt mussten wir uns alle in Zeiten des Lockdowns motivieren, um weiter an der großartigen Idee festzuhalten. Die Anlage konnte endlich in den Testbetrieb – da war bitterkalter Winter. Eine echte Herausforderung, denn zur Gewinnung von Wasserstoff benötigen wir Wasser – und kein Eis! Natürlich haben wir eine Lösung gefunden, bei so einem Projekt lernt man ständig dazu. Übrigens eine wichtige Kerneigenschaft, wenn man Innovationen auf den Weg bringen will: Durchhalten und an sich selbst und die Idee glauben!

Wie kam der Kontakt zur Hochschule zustande? Was hat Sie an der Zusammenarbeit besonders beflügelt?

Dr. Jörg Nitzsche: Die Uni bringt neben wissenschaftlichem Know-how umfangreiches Wissen zu aktuellen Förderprogrammen und -töpfen in die Projekte ein. Die Drittmittel pro Professor und Jahr an der TU Freiberg zählen zu den Top 10 bundesweit! Die TU Bergakademie Freiberg arbeitet anwendungs- und lösungsorientiert – beste Voraussetzungen für schnelle Lösungen. Derzeit arbeiten wir an über 50 Projekten, allein 10 davon mit der TU Bergakademie Freiberg zusammen. Ich bin 2015 mit der Idee „in drei Jahren zur Pilotanlage“ direkt auf Prof. Krause von der TU Bergakademie Freiberg zugegangen. Unser Kontakt war aber schon vorher „heiß“, denn ich habe seine Nachfolge am DBI angetreten. „Transfer läuft oft über Köpfe“ – man sollte seine persönlichen Kontakte nutzen und diese immer weiter ausbauen.

Benötigt man Eigenmittel?
Dr. Jörg Nitzsche:
Die Entwicklung der Pilotanlage haben wir durch Fördermittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Programm „KMU innovativ“ finanziert – diese setzen unter anderem den Fokus auf energieeffiziente und ressourcenschonende Technologien des Mittelstands. Bei Forschungsprojekten, die für den Mittelstand ausgerichtet sind, sind dennoch 40 bis 60 Prozent Eigenmittel einzuplanen. Nicht zuletzt, weil sich Projekte meist ungeplant verlängern und teilweise verteuern. Wir haben gut 40 Prozent Eigenanteil in das Projekt investiert. Forschung im Mittelstand geschieht meist mit einer klarer Verwertungsabsicht, aber man braucht einen langen Atem, bis sich das Projekt amortisiert.

Gibt es einen bestimmten Ablauf bei Forschungsanträgen?
Dr. Jörg Nitzsche:
Der Antrag zu diesem Projekt verlief zweistufig. Die erste Hürde ist eine Projektskizze, die etwa 10 bis 20 Seiten umfasst. Gar nicht so einfach, die Projektidee dabei auf den Punkt zu bringen und alle wichtigen Faktoren zu unterlegen: Verwertung der Idee und Marktpotenziale, Alleinstellungsmerkmale und Abgrenzung gegenüber Mitbewerbern, aber auch der aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik müssen gut dargestellt werden. Bei Letzteren kann die Hochschule perfekt zuarbeiten. Für das Konzept sollte man sich etwa einen Monat Zeit einplanen.

Wird man dann vom Projektträger zur Antragstellung aufgefordert, beginnt die zweite Stufe. Im Projektantrag wird das geplante Vorhaben wesentlich ausführlicher dargelegt. Der Projektantrag hat mitunter 50 oder 100 Seiten – dahinter steckt richtig viel Zeit und Arbeit. Bevor man diesen ausarbeitet, sollte man sich sehr sicher sein, dass sich die Idee später auch vermarkten lässt. Eine ausführliche Arbeitsplanung, ein Projektstrukturplan, Meilensteine und Zwischenziele sowie eine Materialplanung bis ins kleinste Detail, sind Bestandteile eines solchen Antrags. Teilweise wird dann eine Materialliste gefordert, die jede später verbaute Schraube umfasst.

Welche Tipps können Sie Antragstellern mit auf den Weg geben?

Dr. Jörg Nitzsche: Nicht gleich aufgeben – Förderpolitik und die damit verbundene Bürokratie ist teilweise abschreckend für Unternehmen. Bleiben Sie hartnäckig und probieren Sie auch verschiedene Fördertöpfe, wenn es nicht gleich beim ersten Mal funktioniert. Unsere Wasserstoffanlage wurde zuerst auch abgelehnt – sie würde nicht zu den „förderpolitischen Zielen“ passen stand in dem Bescheid. Wir haben uns nicht beirren lassen und den Antrag auf ein anderes, passenderes Förderprogramm angepasst. Mit den richtigen Projektpartnern an der Seite – im besten Fall einer Hochschule – kämpft man sich leichter durch den Projekt- und Antragsdschungel.

Die Zusammenarbeit mit den An-Instituten der Hochschulen kann eine gute Alternative sein – gerade, wenn kleinere Forschungsprojekte im Fokus stehen, die schnell zur Praxisanwendung gebracht werden wollen. In Freiberg gibt es davon gleich neun – die auf den verschiedensten Gebieten Experten sind. Haben Sie den Mut, auf diese zuzugehen. Die Transferstellen an den Hochschulen helfen gern und vermitteln den direkten Kontakt, wenn noch keine persönlichen Beziehungen bestehen.

Jede noch so verrückte Idee ist willkommen – man wird nicht ausgelacht! Nur wer um die Ecke denken kann, wird Innovationen voranbringen.

Voller positiver Energie: „Niemals aufgeben. Immer an die Vision glauben“ – mit diesem Credo führte Dr. Jörg Nitzsche die Vision eines containerintegrierten Wasserstoffgenerators vom Konzept auf dem Papier bis zu einer Pilotanlage. Der Geschäftsführer für Forschung und Entwicklung am DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH Freiberg spricht auf internationalen Fachkonferenzen zur Energiewende für Industrieunternehmen. Foto: DR. STERNKOPF media group

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